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Zehn Bemerkungen über die ungarischen Medien
Der ungarische Medienmarkt ist politisch ausgewogen: Im Großen und Ganzen informieren sich die Ungarn genauso zahlreich aus der konservativen wie aus der linksliberalen Presse – so die neueste Analyse von Médianéző Központ. Diese Studie gibt einen Überblick über den ungarischen Medienmarkt und zeigt, dass die Zahl der linksliberalen Medien seit 2010 nie aufgehört hat zu wachsen bzw. dass die bedeutendsten Medienunternehmen in Ungarn unabhängig von ihrer Beziehung zur Regierung profitabel sind.
Unabhängig von ihrer Beziehung zur Regierung und ihrer politischen Orientierung sind die ungarischen Medien für jeden, der ungarisch spricht, überall auf ungarischem Gebiet leicht zugänglich. Das Ausstattungsniveau der Bevölkerung ist hoch: 3,8 Millionen Haushalte teilen sich 3,7 Millionen Fernsehabonnements; die Anzahl der Internetabonnements übersteigt sogar die Bevölkerung des Landes: 91% der Erwachsenen haben ein Mobiltelefon und 73% nutzen es auch zum Surfen im Internet – wie wir in dieser Studie von Médianéző Központ zur Lage der Medien in Ungarn nachlesen können. Wir erfahren darin, dass in Ungarn der Zugang zu allen Informationsquellen einer sehr großen Anzahl von Menschen gewährt wird: 89,2% der Erwachsenen schauen fern, 75,4% nutzen das Internet, 50,7% hören Radio und 27,1% von ihnen lesen immer noch die Printmedien. Darüber hinaus haben 66,6% der erwachsenen Bevölkerung einen Account bei Facebook, dem beliebtesten sozialen Netzwerk des Landes. Unter den vom Kutatópont Műhely-Institut befragten Ungarn informieren sich beinahe drei Viertel (74%) von ihnen mindestens einmal pro Woche bzw. 47% täglich durch soziale Netzwerke. Für 16% stellen sie gar die Hauptinformationsquelle dar.
2. Ausgewogenheit
Médianéző Központ untersuchte auch den Stand des politischen Kräfteverhältnisses in der Medienszene. Es stellt sich heraus, dass 95% der ungarischen Erwachsenen (sprich 7,7 Millionen Menschen) regelmäßig Medien konsumieren und dass ihr Vertrauen in die Medien dem Durchschnitt der Europäischen Union entspricht. Der ungarische Medienmarkt ist ausgewogen: Im Großen und Ganzen
informieren sich die Ungarn genauso zahlreich aus der konservativen wie aus der linksliberalen Presse – das sind 84% (6,8 Millionen) bzw. 83% (6,7 Millionen). Die Zahl derer, die sich aus den Medien beider Lager informieren, beträgt fast sechs Millionen, was konkret bedeutet, dass man praktisch sicher sein kann, dass mindestens 75% der Wähler höchstwahrscheinlich den Standpunkt beider Lager hören.
3. Ungarische Eigentümer
Das vergangene Jahrzehnt stellte einen Wendepunkt auf dem ungarischen Medienmarkt dar – sowohl links wie auch rechts. Nach dem Fall des Kommunismus waren in Ungarn viele gut kapitalisierte ausländische Unternehmen aufgetaucht, die sich auf den Mediensektor spezialisiert hatten: Die Deutschen Axel Springer und Bertelsmann mit dem Schweizer Ringier beherrschten dann zwei Jahrzehnte lang den Markt; noch heute befindet sich die meistverkaufte ungarische Boulevard-Tageszeitung Blikk im Besitz von Ringier und Axel Springer – so Médianéző Központ. 2014 hat Sanoma seine Anteile an die Centrál-Gruppe verkauft, die dem ungarischen Milliardär Zoltán Varga gehört, von dem manche glauben, dass er Verbindungen zur liberalen Linken unterhält. Dieselbe Mediengruppe Centrál besitzt auch eines der größten linksliberalen Infoportale, das Millionen von Internetnutzern erreicht: 24.hu, aber auch das politisch-wirtschaftliche Wochenmagazin HVG , das sowohl auf dem Print- wie auf dem Online-Pressemarkt vertreten ist und einen erheblichen Marktanteil besitzt. Nach 2014 haben auch ungarische Investoren einen der Hauptakteure auf dem ungarischen Medienmarkt erworben: Mediaworks Hungary Zrt, in dessen Portfolio regionale Tageszeitungen, Wirtschaftszeitschriften, Modemagazine, Lifestyle- und Boulevardmedien, sowie verschiedene politische Tageszeitungen und nationale Internetportale, wie Világgazdaság , Magyar Nemzet und Mandiner sich befinden. Im Jahr 2015 ging eines der wichtigsten ungarischsprachigen Portale, Origó.hu, ebenfalls an ungarische Investoren über, als das Unternehmen Magyar Telekom – mehrheitlich im Besitz der Deutschen Telekom – es an die ungarische New Wave Media Kft. verkaufte. Wie Médianéző Központ es in seiner Analyse zeigt, ist die Präsenz von ausländischem Kapital auf dem ungarischen kommerziellen Fernsehmarkt bedeutend: die RTL-Gruppe kontrolliert RTL Klub – einen Kanal, der die meistgesehene Nachrichtensendung des Landes ausstrahlt – sowie mehrere Kabelsender. Dennoch ist ungarisches Kapital ebenfalls präsent und besitzt insbesondere die TV2-Gruppe, deren Sender TV2, der zweitgrößte Kanal des Landes und der Hauptkonkurrent von RTL Klub ist. Unter den Medien mit entscheidendem politischem Einfluss liegt der Anteil des ungarischen Kapitals unter dem Gesichtspunkt der Anzahl an Medien derzeit bei 95%. – wie die Studie zeigt.
4. Expansion auf seiten der liberalen Linken
Eines der grundlegenden Merkmale der sehr pluralistischen ungarischen Medienwelt ist, dass aufgrund der Flexibilität des Rechtsrahmens die Gründung neuer Medien einfach und schnell ist, weshalb neue Produkte häufig auf dem ungarischen Medienmarkt erscheinen. Laut Médianéző Központ ist auch bemerkenswert, dass seit 2010 die Anzahl der linksliberalen Presseorgane von 33 auf 48 im Jahr 2020 stetig gewachsen ist – was einem Wachstum von 45% entspricht. Die 2010 verabschiedete ungarische Gesetzgebung schreibt Mindestbedingungen vor, um ein neues Medium zu gründen, die sehr einfach zu erfüllen sind: In der Praxis müssen potenzielle Gründer eines neuen Mediums es einfach bloß deklarieren.
5. Potenziell profitabel
Man kann behaupten, dass die größten Medienunternehmen Ungarns – unabhängig von ihrer Beziehung zur Regierung – profitabel sind. In ihrem Portfolio befinden sich neben Titeln mit politischem Inhalt häufig thematische und Boulevardmedien, die einerseits ein breiteres Publikum erreichen und andererseits einen stabileren Betrieb etablieren können; darüber hinaus ist es nicht ungewöhnlich, dass diese Portfolios auch durch Buchveröffentlichungen oder die Bereitstellung von Online-Diensten ergänzt werden. Allein die Magyar Jeti Zrt, der das linksliberale Portal 444.hu gehört, kann Jahr für Jahr kein nachhaltiges Geschäftsmodell finden – was sich nur schwer durch ihre (feindseligen) Beziehungen zur gegenwärtigen ungarischen Regierung erklären lässt, sondern eher auf die Inkompetenz des Managements zurückzuführen ist, das nicht in der Lage sei, ein an den Markt angepasstes Betriebsmodell anzubieten.
6. Absolut frei
In seiner Verfassung wie in seinen Gesetzen garantiert Ungarn Presse- und Meinungsfreiheit; der ungarische Pressemarkt nutzt diese Freiheiten in großem Umfang und geht sogar so weit, die Rechte von Individuen und Gemeinschaften zu verletzen – betont die Studie von Médianéző Központ. Die Medienfachleute und diejenigen, denen sie eine Bühne bieten, neigen deutlich dazu, Inhalte zu produzieren, die die Menschenwürde und die religiösen Überzeugungen ganzer Gemeinschaften verletzen, und schrecken nicht einmal davor, den gewaltsamen Umsturz der Regierung zu fordern. Die linksliberale Wochenzeitung Magyar Narancs zeigte einmal auf ihrem Cover Viktor Orbán mit einem Hitler-Schnurrbart, während die Tageszeitung Népszava Karikaturen von Jesus Christus veröffentlichte; das Portal der neolinken Mérce veröffentlichte Artikel, in denen zu revolutionärem Handeln aufgefordert wurde. Gleichzeitig wurden George Soros und dessen Aktivitäten zum beliebten Ziel der Kritik in der konservativen Presse.
7. Eine solide Unabhängigkeit
In vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind die für die Medien zuständigen Behörden den Regierungen untergeordnet und arbeiten häufig sogar direkt innerhalb eines bestimmten Ministeriums; die ungarische Medien- und Informationsbehörde (Nemzeti Média- és Hírközlési Hatóság), in der der Medienrat (Médiatanács) tätig ist , verfügt dagegen nicht nur über eigene Einnahmen, sondern unterliegt nur einem einzigen Gesetz, das einen Grundpfeiler der ungarischen Demokratie darstellt und das allein eine Zweidrittelmehrheit im Parlament ändern kann. Selbst wenn man die in vielen Mitgliedstaaten der Union beobachteten Praktiken als Vergleichsgrundlage heranzieht, ist die ungarische Praxis in Bezug auf die Trennung zwischen der Exekutive und der für die Überwachung der Medien zuständigen Institution besonders streng.
8. Schwere Strafen
Médianéző Központ untersuchte die Entscheidungen des Medienrates der ungarischen Medien- und Informationsbehörde und kam eindeutig zu dem Schluss, dass diese Behörde konservative Medien häufiger und strenger bestraft als die der liberalen Linken. Von 2012 bis 2020 betrafen mehr als zwei Drittel der von dieser unabhängigen Behörde verhängten Sanktionen rechte Medien, während weniger als ein Drittel Medien betraf, die mit der liberalen Linken in Verbindung stehen: 66% der verhängten Geldstrafen – für einen Gesamtbetrag von 357 Millionen Forint [knapp eine Million Euro] – wurden von konservativen Medien bezahlt, während die linksliberalen Medien nur 183 Millionen Forint [etwas mehr als eine halbe Million Euro] – sprich nur 34% der Geldbußen zu zahlen hatten.
9. Informationen der Öffentlichkeit durch die Regierung
Die Regierung informiert die Öffentlichkeit über ihre Maßnahmen in Form von Pressekonferenzen namens Kormányinfó, die nach jeder Regierungssitzung (daher etwa wöchentlich) organisiert werden und bei denen der für das Amt des Ministerpräsidenten zuständige Minister sowie der Regierungssprecher anwesend sind und gemeinsam die Fragen der Presse beantworten: die Vertreter der verschiedenen – konservativen bzw. linksliberalen – Medien stellen ihre Fragen, wie sie es wollen. In seiner Studie betont Médianéző Központ auch, dass selbst unter alleiniger Berücksichtigung der parlamentarischen Regimes es selten sei, dass die Volksvertreter wie in Ungarn bei direkten Befragungssitzungen des Parlaments die Möglichkeit haben, ihre Fragen unmittelbar an den Regierungschef zu jedem Thema zu richten, ohne dass zuerst der Wortlaut ihrer Fragen eingereicht werden müsse, und dass der Ministerpräsident verpflichtet ist, jede dieser Fragen zu beantworten.
10. Parteilichkeit hier und da
In ganz Europa und in der ganzen Welt wird den öffentlich-rechtlichen Medien ständig Voreingenommenheit zugunsten der amtierenden Regierungen vorgeworfen. In Ungarn werden zwei Arten von Medien mit öffentlichen Mitteln betrieben: öffentlich-rechtliche Medien und Gemeindeblätter. Médianéző Központ stellt fest, dass, obwohl die Aufmerksamkeit der Beobachter im Allgemeinen in erster Linie auf die öffentlich-rechtlichen Medien gerichtet ist, nach den Gemeindewahlen 2019 viele ungarische Kommunen unter die Kontrolle der Opposition kamen (oder blieben): das Rathaus der Hauptstadt und die meisten Bezirke von Budapest sowie 10 der 23 ungarischen Großstädte; in den meisten Fällen war der Übergang mit der Ernennung eines neuen Chefredakteurs des Gemeindeblatts verbunden, so dass in diesen von der Opposition regierten Städten kommunale, öffentlich finanzierte Blätter begannen, Nachrichten zu veröffentlichen, die die Werte der liberalen Linken vermitteln und deren Interessen bedienen.
Médianéző Központ Kft. ist ein ungarisches und mitteleuropäisches Forschungsunternehmen für Medien und Medienpolitik, das der Nézőpont Institut Kft. gehört. Es handelt sich um eine ungarische Denkfabrik, die 2006 – wie auf ihrer Internetseite behauptet wird – mit dem Ziel gegründet wurde, „einen Beitrag zum öffentlichen Leben und zur öffentlichen Debatte in Ungarn zu leisten, indem sie überprüfte Daten, Fakten und Meinungen diesbezüglich bereitgestellt“.
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