„Das ist ein Urteil, das in einem Prozess gefällt wurde, von dem die Verfechter der Rechtsstaatlichkeit bis heute nicht einmal Kenntnis genommen haben.“
– So reagierte Judit Varga gegenüber Magyar Nemzet auf die Ankündigung, dass der Europäische Gerichtshof am Donnerstag die Klage Ungarns abgewiesen hat, in der die ungarische Regierung die Rechtmäßigkeit der Abstimmung, die zur Annahme des Sargentini-Berichts führte, in Luxemburg angefochten hatte. (Bekanntlich gab das Europäische Parlament im Herbst 2018 grünes Licht für den mit Judith Sargentinis Namen verbundenen Bericht, eine Sammlung kritischer, ungarnfeindlicher Übertreibungen. Bei der Abstimmung wurden die Stimmenthaltungen nicht zur Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen hinzugezählt, so dass der Bericht angenommen werden konnte, d.h. die für die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 7 erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht wurde. Die ungarische Regierung wandte sich daraufhin an den Gerichtshof der Union und wies auf einen Verfahrensfehler hin – AdR.).
Nach Ansicht der Justizministerin sind die vor fast drei Jahren vom Europäischen Parlament verabschiedete Entschließung und das daraufhin eingeleitete Verfahren nach Artikel 7 – das sogenannte „Rechtsstaatsverfahren“ – in vielen Punkten widersprüchlich. „Bisher hat dieses Verfahren nach Artikel 7 stattgefunden, ohne dass die europäischen Institutionen und die europäische Linke von dem laufenden Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Kenntnis zu haben schienen.
Kein einziger dieser Verfechter der Rechtsstaatlichkeit hat sich darum gekümmert, dass ein Mitgliedstaat eine relevante Frage im Zusammenhang mit dem Verfahren aufgeworfen hat. Ich selbst habe bei jeder Anhörung, zu der ich im Zusammenhang mit dem Artikel-7-Verfahren geladen wurde, erklärt, dass meine Anwesenheit, solange es kein Gerichtsurteil gibt, nicht einmal erforderlich sein sollte.
In jedem Rechtsstaat, der etwas auf sich hält, geht man davon aus, dass kein Urteil vollstreckbar ist, wenn kein rechtskräftiger Gerichtsbeschluss vorliegt“ – so die Ministerin, um den widersprüchlichen Charakter dieser Verfahren aufzuzeigen. „In diesem Fall gab es aber eine inhaltliche Frage zur Sachlage: Kann man überhaupt von einem rechtlich zulässigen Sargentini-Bericht sprechen? Wurde das Artikel 7-Verfahren überhaupt rechtmäßig eingeleitet?“
Faktischer Unsinn
Speziell zu dem Urteil sagte Judit Varga, dass es auch sachliche Fehler gab. „Wenn ein Abgeordneter beschließt, an einer Abstimmung teilzunehmen, hat er drei Möglichkeiten: dafür oder dagegen zu stimmen, oder sich zu enthalten. Wenn man dies mit einem Minimum an gesundem Menschenverstand betrachtet, könnte man sich fragen: Was ist der Sinn dieser dritten Option des Abstimmungsgeräts, wenn Stimmenthaltung – laut dem Gericht – nicht als abgegebene Stimme gilt?
Bei dieser Abstimmung im Europaparlament 2018 gab es Abgeordnete, die mit der Position der ungarischen Regierung übereinstimmten, es aber aus innenpolitischen Gründen vorzogen, den „Enthaltungsknopf“ zu drücken, anstatt mit „Nein“ zu stimmen. Es ist die Freiheit des Vertretungsmandats, die verletzt wurde, insofern sie dazu gebracht wurden, gegen ihren Willen zum Erfolg des Antrags des Sargentini-Teams ‚beizutragen’“,