Ich habe großes Verständnis für die Äußerungen ukrainischer Politiker, die Ungarn kritisieren, da Russland im Moment einen Krieg gegen unseren östlichen Nachbarn führt, was in jeder Hinsicht eine erhebliche Belastung darstellt.
– so István Grezsa, Ministerialbeauftragter für die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen dem Komitat Szabolcs-Szatmár-Bereg und Subkarpatien. Dieser Krieg, so erklärt er uns, erfordere schwerste Opfer – menschliche und andere –, weshalb die politische Führung der Ukraine bestrebt sei, den Konflikt auszuweiten. Aus ukrainischer Sicht sei diese Haltung verständlich. Er merkt an, dass Ungarn denjenigen, die zu uns flüchten, ebenso wie denjenigen, die in Subkarpatien und generell in der Ukraine bleiben, alle notwendige humanitäre Hilfe gewähre.
Er erklärt jedoch, dass
die ungarische Regierung die Interessen der Ungarn verteidigen muss: Ungarn muss sich aus diesem Krieg heraushalten; wir müssen den Frieden und die Sicherheit in unserem Land bewahren.
– Es ist klar, dass man unter diesen Umständen den Stil, das Timing und die Tatsache, dass in Ungarn der Wahlkampf um die bevorstehenden Parlamentswahlen in vollem Gange ist, in Klammern setzen muss. Denn solange dieser Krieg andauert, ist für uns der Frieden die einzige akzeptable Alternative, und das ist die Linie, an der wir festhalten müssen. Nach diesem Prinzip habe ich auch beim Lesen ukrainischer Meinungen, die mir nicht gefallen, die Ruhe bewahrt. Viel beängstigender finde ich die Äußerungen aus der ungarischen Linken: Diese Linke will das Land in den Krieg führen – und das wird die Hauptfrage bei den Wahlen am Sonntag sein.
Eine übermenschliche Aufgabe
Tatsache ist – und das wird von der ukrainischen Presse nicht ausreichend wahrgenommen –, dass Ungarn bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms eine übermenschliche Leistung vollbringt. – Eine deutlichere Demonstration der Tatsache, dass wir für dieses riesige Land schon immer berechenbare und wohlwollende Nachbarn waren, ist kaum vorstellbar.
Es ist wichtig zu bemerken, dass eine dauerhafte humanitäre Katastrophe, eine langfristige Krise zu erwarten ist und dass Ungarn auch dann noch in der Lage sein muss, Hilfe zu leisten, wenn die Welle der Solidarität abgeklungen ist, wenn die Menschen wieder mehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, da dieser Krieg ziemlich schwerwiegende wirtschaftliche Folgen haben wird.
Meiner Meinung nach wären diese wirtschaftlichen Folgen katastrophal, wenn es nach der Linken ginge. – Und wie nach der Pandemie wird die Welt auch nach dem russisch-ukrainischen Krieg nicht mehr die gleiche sein.
István Grezsa sprach auch über Fragen der nationalen Politik und erklärte in diesem Zusammenhang, dass sich
in der Region bereits eine ethnische Neuordnung vollzogen hat. Und je länger der Konflikt dauert, desto weniger Flüchtlinge werden meiner Meinung nach bereit sein, nach Subkarpatien zurückzukehren. Aus diesem Grund muss für diesen Bezirk von der Größe des Szekler Landes ein neuer Plan für die nationale Politik entwickelt werden: ein Plan, der auch die Erwartungen der ethnischen Mehrheit berücksichtigt. Das ist keine radikale Neuigkeit, da wir gegenüber Subkarpatien schon seit langem auf eine Politik der ausgestreckten Hand setzen, indem wir der Bevölkerung, die seit vielen Jahren in einer schwierigen Situation lebt, alle Arten von Unterstützung gewähren – auch dem Teil der Bevölkerung, der der ethnischen Mehrheit angehört.
„Es gibt vielleicht kein anderes Land, das der Ukraine so viel Hilfe geleistet hat, wie wir es bislang getan haben. In den letzten vier oder fünf Jahren hat Ungarn in der Ukraine öffentliche Investitionen im Wert von mehr als hundert Milliarden Forint [mehr als 270 Millionen Euro – AdÜ.] getätigt. – Und all diese Investitionen dienen demselben Zweck: zu verhindern, dass sich Subkarpatien endgültig vom Körper der Nation löse.
Der Frieden muss bewahrt werden
Von den 603.000 Quadratkilometern des ukrainischen Staatsgebiets ist Subkarpatien der einzige Bezirk des Landes, der noch keinem militärischen Angriff ausgesetzt war, und es wäre gut, wenn dies auch so bliebe. Für diese Zwecke sind jedoch zwei Dinge notwendig: Erstens, dass keine offensiven Waffen die ungarisch-ukrainische Grenze überqueren; zweitens, dass der ukrainische Staat keine militärischen Ziele in Subkarpatien schaffe – zum Beispiel auf dem Flughafen von Uschhorod, der die Aufmerksamkeit der Russen auf sich ziehen könnte. – In der Zwischenzeit werden sich aufgrund des Krieges Dutzende von Großunternehmen aus dem Inneren der Ukraine in Subkarpatien niederlassen, was durch die Verbesserung der Situation dieses benachteiligten Gebiets und durch den Beitrag zum Abbau seiner infrastrukturellen Defizite den Interessen beider Länder dienen könnte.
Aus Sicht der ungarischen Gemeinschaft in Subkarpatien ist das ukrainische Sprachengesetz einer der neuralgischen Punkte in den magyarisch-ukrainischen Beziehungen, und nach den Aussagen der ukrainischen Führung ist in diesem Bereich bislang keine Lockerung zu erwarten. István Grezsa merkt dazu an: „Seit Jahren wird uns erklärt, dass die Entscheidungen der Ukraine nicht gegen die ungarische Minderheit gerichtet sind, sondern gegen die Millionen russischsprachiger Menschen im Land, so dass wir die Folgen nur als Kollateralschaden dieser Ereignisse zu spüren bekommen.
Es ist jedoch wichtig zu bemerken, dass, abgesehen von den Krimtataren, diese 150.000 ungarischsprachige Minderheit die einzige ist, die über ein konstituiertes institutionelles System verfügt; daher ist es für sie von entscheidender Bedeutung, dass ihre Sprach- und Bildungsrechte wiederhergestellt werden, da diese auch die Voraussetzung für die Bewahrung unserer Kultur sind. Aber natürlich beschäftigt man sich in Kriegszeiten nicht mit Sprachen; dennoch ist jede Äußerung eines ukrainischen Würdenträgers, der Sprachfragen zu einem möglichen Verhandlungsgegenstand macht, geeignet, uns Hoffnung zu geben.
Photo: Havran Zoltán