Gemäß dem entsprechenden EU-Text hat Ungarn Anspruch auf 2,5 Billionen Forint [6,86 Milliarden Euro] aus dem EU-Wiederaufbaufonds zur Behebung der sozialen und wirtschaftlichen Schäden, die durch die Covid-Pandemie verursacht wurden. Den Auszahlungsregeln zufolge kann die tatsächliche Überweisung erst nach der Genehmigung durch den Europäischen Rat erfolgen. Damit der Rat diese Entscheidung treffen kann, muss ihm die Europäische Kommission eine positive Bewertung des von der ungarischen Regierung ausgearbeiteten Wiederaufbauprogramms und einen Vorschlag der Kommission zur Genehmigung des Programms vorlegen.
Der EU-Text legt zweifelsfrei die vorrangigen Fachbereiche und die Bewertungskriterien fest, anhand derer die Kommission die von den Mitgliedstaaten vorgelegten Wiederaufbauprogramme prüfen kann. Sie legt auch das Konformitätsniveau fest, das die Parameter, aus denen sich diese Kriterien zusammensetzen, erreichen müssen. In Bezug auf das ungarische Wiederaufbauprogramm überschreitet die Kommission jedoch in mehreren Punkten die Grenzen dieses Mandats. Willkürlich macht sie ihre Prüfung davon unabhängig, inwieweit die ungarischen Vorschläge in den Bereichen, die Gegenstand der Unterstützung sein sollen, die Fähigkeit zur Erholung und Widerstandsfähigkeit erhöhen, die erforderlich sind, um die durch die Covid-Epidemie verursachten Nachteile zu überwinden.
Die Kommission ignoriert die Grenzen, die ihr dieser Text setzt, und stellt Forderungen an den Gesetzgebungs- und Regierungsakt, die durch die Hintertür die Kritik an der Rechtsstaatlichkeit wieder einführen, mit der bis vor kurzem das ungarische öffentliche Recht und die Institutionen des ungarischen Staates angegriffen wurden.
Dabei missbraucht sie die Vorrechte, die ihr im Zusammenhang mit der Verwendung des Wiederaufbaufonds zuerkannt werden, da sie diese nicht im Interesse der in diesem Text festgelegten Ziele ausübt, sondern als Zwangsinstrument, das im Rechtsstaatlichkeitsstreit zwischen ihr und Ungarn eingesetzt wird. Damit die Symbolik nicht zu kurz kommt, hat es ausgerechnet der Justizkommissar Didier Reynders übernommen, dies zu sagen: „Wir müssen alle Instrumente mobilisieren, die uns zur Verfügung stehen: das Verfahren nach Artikel 7, die Vertragsverletzungsklage und auch – das ist eine neuere Entwicklung – den Rechtsstaatsmechanismus, der die EU-Hilfen bedingt, sowie die Verhandlungen über den Wiederaufbaufonds.“