Douglas Murray: Die Geschichte wird der Migrationspolitik Ungarns Recht geben

Im Gespräch mit Magyar Nemzet nennt Douglas Murray diejenigen lächerlich, die Ungarn beschuldigen, eine Diktatur zu sein. Für diesen politischen Denker ist die immer intoleranter werdende Linke die Geisel ihrer extremistischen Ideale; angesichts einer Welt, die die Abschaffung der Polizei und die Legalisierung harter Drogen fordert, sieht er den Konservatismus als eine Alternative, die die Erhaltung eines sinnvollen Lebens ermöglicht. Für diesen international anerkannten Autor ist Ungarn eine außerordentlich neugierige und kultivierte Gesellschaft, die sich für das interessiert, was in der Welt geschieht.

Imre Csekő, András Kárpáti
2020. 11. 30. 18:45
2020.11.23. Budapest Douglas Murray Fotó: Kurucz Árpád
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Magyar Nemzet: Sie verbringen einen ganzen Monat in Ungarn als Gastwissenschaftler des Danube Institute. Woran arbeiten Sie gerade?

Douglas Murray: Ich nehme an einer Reihe von Online-Gipfeltreffen namens MCC – Danube Institute Patriotic Talks teil. Aufgrund der Situation mit dem Virus werden leider einzelne Sitzungen online abgehalten.

Magyar Nemzet: Anlässlich Ihres längeren Aufenthalts in unserem Land hatten Sie die Gelegenheit, die Art und Weise des ungarischen öffentlichen Lebens aus erster Hand anzuschauen. Wie beurteilen Sie beispielsweise die vom neuen US-Präsidenten Joe Biden und seinem Umfeld formulierten Anschuldigungen, Ungarn sei eine totalitäre Diktatur oder gar ein „Schurkenstaat“ – ein Begriff, der ursprünglich für Länder wie Somalia galt, wo Piraterie auf hoher See von der Regierung gebilligt wird?

Douglas Murray: Die Ausgangssperren haben überall eine Atmosphäre der Diktatur geschaffen. Aber Spaß beiseite: Ich finde diese Anschuldigungen lächerlich. Jeder weiß sehr wohl, dass es in Ungarn freie Wahlen gibt.

Magyar Nemzet: Wie erklären Sie diese Angriffe?

Douglas Murray: In Europa gleicht der Dialog zwischen Ost und West einem Dialog für Gehörlose, in dem die Länder des Westens – bedauerlicherweise – eher dazu neigen, mit Bedrohungen zu spielen. Anstelle dieser oft absichtlichen Missverständnisse sollten wir besser versuchen, uns besser kennenzulernen – wir bräuchten eine echte Bereitschaft, einander zu verstehen. Freilich kann man immer die anderen Länder kritisieren – auch unter dem Gesichtspunkt ihrer Innenpolitik –, aber dies sollte mit einem Verständnis der Gründe vonstattengehen, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden. Meiner Meinung nach ist es äußerst schädlich, dass Westeuropa nicht in der Lage sei zu akzeptieren, dass sich die Situation in der östlichen Hälfte des Kontinents in eine Richtung bewegt, die seinem Geschmack nicht entspricht.

Magyar Nemzet: Welche dieser Kritikpunkte halten Sie für gerechtfertigt und welche für unbegründet?

Douglas Murray: In der CEU-Affäre kann man immerhin sagen, dass es auf seiten der ungarischen Regierung ein Kommunikationsdefizit gab: Sie hat den Menschen nicht verständlich macht können, was sie tat und warum sie es tat. Von außen gesehen schien die Entscheidung falsch zu sein, aber es sollte hinzugefügt werden, dass, bloß weil es sich um Universität handelt, man die Möglichkeit eines echten politischen Konflikts nicht ausschließen kann. Wenn es um Medienpluralismus ging, hörten wir dagegen unglaubliche Forderungen, wie z.B., dass die ungarische Regierung die Oppositionspresse finanzieren sollte. Das Thema Presse ist übrigens in beinahe allen Ländern die Quelle sehr lebhafter Debatten. Auch in Großbritannien führt die Frage der Kontrolle des Kapitals eines bestimmten Medienunternehmens zu schweren Spannungen.

Magyar Nemzet: Was könnte der Grund für diese kritische Haltung der westeuropäischen Länder sein?

Douglas Murray: Westeuropa wird von einer linken Ideologie beherrscht, die sich jedoch durch eine ganz besondere Vision der Geschichte auszeichnet, in der die historische Entwicklung einer einzigartigen und unvermeidbaren Richtung folgt – was zu einer Art ungeduldiger Intoleranz führt. Die vorherrschende Ansicht ist heutzutage oft die Ansicht der amerikanischen Liberalen, eine extremistische Ansicht, die die Freiheit über alles stellt und sie bedingungslos fordert. Natürlich ist Freiheit auch ein wichtiger Wert, aber ihre ausschließliche Betonung führt zu Ergebnissen, die so dystopisch sind wie die Legalisierung harter Drogen oder die Anschaffung der Polizei. Der Kult der Freiheit ist jedoch untrennbar mit einer Neuinterpretation der Gleichheit verbunden, wodurch der Unterschied zwischen Chancengleichheit und Ergebnisgleichheit beseitigt wird.

Magyar Nemzet: Was meinen Sie damit?

Douglas Murray: Aus Sicht der heute vorherrschenden linken Ideologie reicht es nicht mehr aus, Gleichheit vor dem Gesetz und Chancengleichheit in der Bildung und in anderen Bereichen zu gewährleisten: Sie fordert buchstäbliche Gleichheit bis auf die individuelle Ebene. Diese Forderung erzeugt gewaltige Spannungen und schädliche soziale Atmosphären, denn es wäre nicht nur unmöglich, sondern sogar absurd und zutiefst unfair, sie zu erfüllen. Theoretisch braucht eine Einwandererfamilie zum Beispiel mehrere Generationen, um den Lebensstandard der übrigen Gesellschaft zu erreichen – doch was Linke fordern, ist absolute materielle Gleichheit für alle.

Magyar Nemzet: Es braucht bloß etwas gesunden Menschenverstand, um festzustelen, dass Sie Recht haben. Und doch werden diese linken Ideen, von denen Sie sprechen, zunehmend akzeptiert.

Douglas Murray: Eine der bestimmenden Ursachen dafür ist dieser blinde Glaube, von dem ich bereits gesprochen habe: die Gewissheit, dass es keine andere praktikable Richtung gibt als die, die zu dieser extremistischen Erweiterung der Konzepte von Freiheit und Gleichheit führt. Wir sind jedoch weit davon entfernt, diese Atmosphäre als das Auftreten einer neuen religiösen Leidenschaft zu beschreiben; ich für meinen Teil würde es eher mit der Situation von 1914 und mit der damals herrschenden Unsicherheit vergleichen. In jedem Fall ist es eine besonders schädliche Art von Straußpolitik, wenn die Linke ohne die geringste Selbstkritik immer wieder Staaten angreift, die anders denken – so zum Beispiel konservative Regimes –, indem letztere als „schlechte Schüler“ belehrt werden.

Magyar Nemzet: – Aber woher kommt dieses Selbstbewusstsein der Linken, obwohl ihre Vorstellungen in vielen Bereichen – angefangen bei der Einwanderungspolitik – spektakulär gescheitert sind?

Douglas Murray: Es ist nicht unbedingt eine Frage des Selbstbewusstseins. Auch die Presse mit ihrer Oberflächlichkeit und Faulheit hat ihren Anteil an der Verantwortung. Von Zeit zu Zeit produziert sie skandalös absurde Texte, die bereits begonnene Konflikte wieder aufleben lassen.

Magyar Nemzet: Ungarn ist das Ziel besonders zahlreicher Angriffe – aus welchem Grund?

Douglas Murray: Auch wenn Ungarn in der Tat an vorderster Front steht, werden viele Länder an den Pranger gestellt. Die amerikanische Linke schlägt in alle Richtungen aus. Sie nimmt keine Rücksicht auf kulturelle Besonderheiten und stellt an alle die gleichen Anforderungen – zum Beispiel auf dem Gebiet der Rasse, obwohl sich die Ausgangssituation und die sozialen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten radikal von denen in Europa unterscheiden und der gleiche Unterschied zwischen der westlichen und der östlichen Hälfte Europas besteht. Bis vor kurzem hat die Presse jenseits des Atlantiks den französischen Präsidenten Emmanuel Macron sehr scharf dafür verurteilt, dass er sich gegen die Islamisierung seines Landes ausgesprochen hat. Die Washington Post zum Beispiel hat ihre absurde Anklage so weit getrieben, dass sie behauptete, das Macron-Regime würde – wie in Konzentrationslagern – Schüler muslimischen Glaubens deportieren. Die Linke verleumdet zum Beispiel auch die ehemalige dänische Einwanderungsministerin Inger Støjberg regelmäßig als Faschistin, seitdem das skandinavische Land bekannt gegeben hat, dass es keine illegalen Einwanderer aufnehmen will. Als es beschloss, dass einem illegal eingereisten Migranten eine Summe in Höhe der Kosten, die dem dänischen Staat durch sein Vergehen entstanden sind, eingezogen werden kann, nannte die Linke dieses Gesetz – das Dänemark nicht ein einziges Mal angewandt hat – in Anlehnung an den Holocaust: das „Juwelengesetz“.

Magyar Nemzet: Welche Sanktionen sollte Ungarn Ihrer Meinung nach nach dem Amtsantritt der Biden-Administration erwarten?

Douglas Murray: Sicherlich wird es alle möglichen Sanktionen geben, sowohl wirtschaftliche als auch politische, da das Tandem Biden-Harris die ungarische Regierung schlicht und ergreifend (wenn auch fälschlicherweise) als „Trump-Komplizen“ ansieht und sich deshalb rächen wird. Aber es ist zum Beispiel auch der Fall des Vereinigten Königreichs, das sie für den Brexit bestrafen wollen. In der Praxis lautet ihre Drohung: Wenn wir die EU nicht unter von den USA genehmigten Bedingungen verlassen, werden sich die USA weigern, ein Freihandelsabkommen mit uns zu schließen. Ganz zu schweigen von den Vorhersagen der linken Presse, die uns erzählt, dass wegen des Brexit eine Hungersnot über uns kommen, unsere Infrastruktur verfallen und unsere Wirtschaft zusammenbrechen werden.

Magyar Nemzet: Sie haben den Brexit erwähnt. Nach dem Referendum, das dazu führte, und der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten schlug die Linke Alarm über den „Aufstieg des Populismus“. Aber sind populistische Agenden nicht die logische Folge von Situationen, in denen die Wähler das Gefühl haben, dass die politischen Eliten ihren Willen ignorieren?

Douglas Murray: Ich mag dieses Wort „Populismus“ nicht, weil der Ausdruck am Ende immer die Bedeutung annimmt, die die aktuelle amerikanische Linke ihm aufzudrängen versucht. Ich ziehe es vor, die Frage zu stellen: Was ist der Unterschied zwischen einer populistischen Regierung und einer populären Regierung? Die Linke wirft den von ihr als populistisch bezeichneten Politikern vor, ständig Reden zu Themen zu halten, die bei den Wählern gut ankommen könnten. Das ist aber wohl das Wesen der Politik! Was Brexit und Trumps Wahl gemeinsam haben, ist, dass die Bürger enorme Freude daran hatten, den Dogmen zu widersprechen, die die Medien und die gesamte politische Klasse ihnen einzutrichtern versuchten. Das Wunder des Brexit-Votums bestand genau darin, dass, während die ganze Welt die gleiche Reaktion von den Briten forderte, die Gesellschaft schließlich Nein sagte. Eines Tages standen Menschen auf, die noch nie in ihrem Leben gewählt hatten, und sagten „Nein“. Es wurde eine Feier der Demokratie, einer jener seltenen Momente, in denen der Wille des Volkes sich wirklich Gehör verschafft.

Magyar Nemzet: Viele Leute sahen das in einem ganz anderen Licht…

Douglas Murray: Nachdem die Briten für den Austritt gestimmt hatten, verschwendete die Union keine Minute mit dem Versuch, die Gründe für ihre Entscheidung zu verstehen. Es wurde einfach erklärt, dass diejenigen, die für den Brexit stimmten, Fanatiker und Faschisten seien. Die gleiche Geschichte wiederholte sich nach der Wahl von Trump. Den Wählern wurde ekelerregend gesagt, dass Trump ein abstoßender, lügender, unhöflicher Charakter sei, und die Leute haben trotzdem für ihn gestimmt. Die Linke hätte sich die Frage stellen müssen: Was hat sie so meisterhaft versäumen können, dass angesichts ihres Kandidaten am Ende sogar Trump gewählt wurde?

Magyar Nemzet: Können wir jemals darauf hoffen, dass die Linke ihre Positionen überdenkt?

Douglas Murray: Ich würde mir wünschen, dass die Linke ihre radikalen Elemente loswerden kann, denn jede Gesellschaft braucht einen Dialog zwischen der Linken und der Rechten. Es gibt traditionell linke Haltungen, die von Zeit zu Zeit von großer Bedeutung sind. Ich wäre der Erste, der sich freuen würde, wenn die Linke gute Vorschläge machen würde, statt des bereits erwähnten Unsinns, wie die Kürzung der Mittel für die Polizei oder die Legalisierung harter Drogen.

Ich würde mich freuen, wenn es der intelligenten Linken gelingen würde, die Psychopathen loszuwerden. Auch die Rechte ist ständig gezwungen, ihre eigenen Spinner an die Leine zu legen. Aber die Rechte distanziert sich viel rigoroser von der extremen Rechten, als die Linke es tut. In Ihrem Land ist der Fall Jobbik ein deutliches Beispiel dafür.

Magyar Nemzet: Auf der rechten Seite sieht man genau, wo man die Grenze ziehe soll: Sobald man jemanden wegen seiner nationalen oder ethnischen Herkunft verurteilt, begibt man sich ins Inakzeptable. Bei den Linken hingegen scheint es, dass sie nicht in der Lage sind zu entscheiden, wie weit man nicht gehen darf.

Douglas Murray: Ich war noch vor kurzem in Amerika, bei einem Abendessen, wo einige Gäste von der Linken waren, und ich habe ihnen die Frage gestellt – aber sie waren nicht in der Lage zu entscheiden, wo diese Grenze ist. Als ich den Gedanken riskierte, dass eine Herangehensweise, die zu Krawallen und Plünderungen von Geschäften führt, nicht gut sein kann, indem ich sie aufforderte anzuerkennen, dass die Linke zumindest in solchen Fällen zu weit gegangen ist, fiel es ihnen schwer, dies anzuerkennen; ich musste ihnen praktisch die Würmer aus der Nase ziehen.

Magyar Nemzet: Aber würde man von der Linken in diesem Bereich nicht traditionell mehr Sensibilität erwarten?

Douglas Murray: Wenn man versucht, den Linken begreiflich zu machen, wie intolerant sie geworden sind, merkt man, dass sie nicht in der Lage sind, zu verstehen, wovon man spricht. Sie werden Ihnen sagen, dass das unmöglich ist, dass sie ja schließlich die Antirassisten sind, das Lager der Akzeptanz. Aber da die Linke tatsächlich Ausgrenzung praktiziert, verliert sie immer mehr Anhänger. Ein gutes Beispiel dafür ist J. K. Rowling, die einst eine Kämpferin im Lager der liberalen Linken war und die man nun zu exkommunizieren versucht, denn wenn es um Transsexualität geht, bleiben die Gläubigen der traditionellen feministischen Sichtweise treu, die dem gesunden Menschenverstand entspricht. Viele finden ihre Exkommunikation bedauerlich, aber ich freut mich darüber: Durch sie zeigt sich die radikale Linke in ihrem wahren Licht als eine abstoßende, gewalttätige und verachtenswerte Sekte. Und es ist gut, dass die Leute das sehen.

Magyar Nemzet: Zeigt der Leidensweg von J. K. Rowling nicht, dass das eigentliche Ziel der radikalen Linken nicht darin besteht, diese oder jene Werte zu fördern, sondern immer wieder neue Opfergruppen zu entdecken, die es zu verteidigen gilt?

Douglas Murray: Die Linke möchte das eigene Lager zum Abbild der eigenen Weltvision schweißen. Ich habe das selbst oft erlebt, weil ich als rechter Homosexueller die Linken immer geärgert habe. Sie glauben, wenn jemand entweder dunkelhäutig, eine Frau oder ein Homosexueller ist, dann muss dieser jemand automatisch auf ihrer Seite stehen. Ich finde eine solche Haltung höchst ärgerlich: Solche Charakterzüge, die moralisch unwichtig sind, können keineswegs die gesamte Persönlichkeit bestimmen. Nach Ansicht der radikalen Linken hingegen soll dies alles andere bestimmen. Ihre Absicht ist es, diese Minderheiten für die Eroberung der Macht auszunutzen. Damit erweist die Linke diesen Gruppen, die sie zu vertreten vorgibt, einen großen Bärendienst. Im Fall der Homosexualität kann ich, glaube ich, mit Sicherheit sagen, dass dies der Fall ist, denn was betont werden sollte, ist, dass die sexuelle Orientierung nicht wichtig ist, dass es falsch ist, sich dafür zu schämen, dass es aber ebenso absurd ist, sie zu einer Sache des Stolzes zu machen. In den letzten Jahren hat die radikale Linke absichtlich gespalten, und es ist gegen diesen Separatismus, den wir bekämpfen müssen.

Magyar Nemzet: Wie ist die Tatsache zu interpretieren, dass seit der Migrantenkrise 2015 die Position der ungarischen Regierung immer mehr an Unterstützung gewinnt? Es ist inzwischen erwiesen, dass eine unkontrollierte Masseneinwanderung nicht nur auf Dauer unhaltbar ist, sondern auch ernsthafte Gefahren – wie etwa Terroranschläge – mit sich bringt.

Douglas Murray: Es stimmt, dass verschiedene europäische Politiker ihre Ansichten dramatisch umformuliert haben – ein Beispiel dafür ist Macron, dessen Ansichten zur Einwanderung der ungarischen Position sehr ähnlich geworden sind – aber es wäre falsch zu erwarten, dass die Linke nach Canossa geht. Die Ansichten der „Open Society“ haben in der oberflächlichen Wahrnehmung eine starke Verführungskraft, weil sie auf eine Lockerung der Bindungen und einen Zuwachs an Freiheit hinauszulaufen scheinen. Dies sind aber die Ideale, die in enger Verbindung mit der Linken von der US-Unterhaltungsindustrie, insbesondere Hollywood, popularisiert werden, deren globaler Einfluss ohnegleichen ist.

Magyar Nemzet: Welche Vorschläge kann der Konservatismus dem entgegensetzen?

Douglas Murray: Der Philosoph Roger Scruton, der kürzlich verstorben ist, sagte zum Beispiel, dass Konservatismus ein Instinkt ist. Wir wissen, dass wir bestimmte Dinge tun könnten, aber wir tun sie nicht, weil wir uns bei unseren Entscheidungen auf die Erfahrung verlassen. Die konservative Gesellschaft basiert auf dieser Balance: auf der Idee, dass das, was existiert, gut ist, und dass wir die Existenz dessen, was ist, nicht gefährden wollen. Das ist es auch, was eine konservative Herangehensweise an die Wirtschaft auszeichnet: Statt auf endlosen Theorien basiert sie auf gesundem Menschenverstand und Intuition; aus dieser Sicht ist es also zum Beispiel vernünftig, das Entstehen von tiefen Defiziten im Staatshaushalt zu vermeiden, da Kredite früher oder später zurückgezahlt werden müssen.

Im Gegensatz zu der linken Werteskala kann uns der Konservatismus Bezugspunkte liefern, an denen wir uns festhalten können, auch im Zusammenhang mit der Frage, was im Leben wichtig ist, d.h. wie sieht eine vernünftige Existenz aus?

Magyar Nemzet: Aber die Konservativen scheinen sich immer damit zufrieden zu geben, auf die Initiativen der Linken zu reagieren. Sind sie nicht dadurch zum Scheitern verurteilt? Denn schließlich, statt ihre eigene Sicht der Dinge zu proklamieren, begnügen sie sich am Ende mit dem Versuch, den Vormarsch der Linken zu bremsen.

Douglas Murray: Was diese Frage betrifft, so hat sie Scruton dazu gebracht zu sagen, dass die Konservativen immer damit beschäftigt sind, ihre nächste Niederlage zu erringen. Aber ich glaube nicht, dass das notwendig ist. Die Konservativen sollten mit besseren Ideen für das richtige Gesellschaftsmodell aufwarten, aber das tun nur wenige. Es ist einfacher, auf das zu reagieren, was andere sagen. Wenn jemand einen absurden linken Standpunkt vertritt, können wir das natürlich ausnutzen, um uns darüber lustig zu machen – das ist oft sehr unterhaltsam –, aber die eigentliche Frage wäre: Welche Antithese können wir dem von den Linken vorgeschlagenen Menschenbild entgegensetzen? Die Familienpolitik Ihrer Regierung ist zum Beispiel ein gutes Beispiel dafür, wie die Konservativen ihren spezifischen Ansatz durchsetzen könnten.

Magyar Nemzet: Um christlich-konservative Werte zu bekämpfen, behauptet die Linke, dass diese Länder nicht einmal wirklich christlich sind, da sie sich weigern, die Tore für Masseneinwanderung zu öffnen und Flüchtlinge aufzunehmen.

Douglas Murray: Diese Ansätze, nur ein Element des Christentums beizubehalten, sind falsch. Wir hören z.B., dass Jesus selbst ein Einwanderer gewesen wäre. Aber ich möchte hinzufügen, dass er in das Land zurückkehrte, aus dem er kam. Die Heilige Familie wollte nicht in Ägypten bleiben. Alles, was sie tun, ist, ein Element des Christentums zu betonen – den Begriff des Willkommens – während sie die Person und die Lehre von Jesus Christus völlig ignorieren. Diese Methode, zwei oder drei Elemente aus der Lehre des Christentums zu nehmen und sie in eine politische Ideologie zu verwandeln, ist äußerst gefährlich. Stellen wir uns für einen Moment vor, eine politische Bewegung würde sich Zitate aus dem Matthäus-Evangelium auf die Fahne schreiben lassen, wie „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert“. Das wäre natürlich inakzeptabel. Die gleiche Argumentation gilt für die liberale Linke und ihre Versuche, nur dieses oder jenes Element des Christentums zur Unterstützung einer politischen Agenda beizubehalten.

Magyar Nemzet: Wie sieht die Zukunft für Europa aus, wenn man bedenkt, dass im Westen der Anteil der Muslime an der Bevölkerung ständig zunimmt?

Douglas Murray: Das Ergebnis wird von Land zu Land unterschiedlich sein. Die Zukunft Dänemarks zum Beispiel wird keinerlei Ähnlichkeit mit der Schwedens haben, obschon wir es gewohnt sind, diese Ländergruppe als Ganzes zu behandeln. Heute können wir jedoch feststellen, dass in Schweden häufig Bombenanschläge verübt werden, während wir in Dänemark – aus den genannten Gründen – nichts dergleichen sehen. Auch Ungarn wird nicht die gleiche Zukunft haben wie Deutschland. Ich möchte nur, dass jedes Land über sein eigenes Schicksal entscheiden kann.

Wenn die Ungarn keine Masseneinwanderung wollen, sollte man nicht versuchen, sie ihnen aufzuzwingen, wie es in anderen Ländern bereits geschehen ist.

Die britischen Wähler zum Beispiel wurden in der Frage der Masseneinwanderung nie befragt, und das ist hier trotzdem geschehen. In diesem Streit wird die Geschichte Ungarn Recht geben, und nicht Angela Merkel. In ihrer Einstellung zur Einwanderung sind die Ungarn immer weniger allein. Neben Macron hat sich zum Beispiel auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz gegen das Prinzip der Verteilungsquoten ausgesprochen.

Magyar Nemzet: Wird Europa in der Lage sein, seine christliche Identität zu bewahren?

Douglas Murray: Die Bewahrung des christlichen Erbes hängt von der Weitergabe der moralischen Lehren des Glaubens ab. In diesem Sinne können auch Ungläubige ein christliches Leben führen. Wir müssen in der Lage sein, zu erklären, was an dieser Lebensweise erstrebenswert ist, und das ist uns bisher nicht gelungen. Viele Menschen haben Angst, dass sie, wenn sie über die Werte des Christentums sprechen, beschuldigt werden, andere ausgrenzen zu wollen. Aber vergessen wird nicht, dass diese Religion im Laufe ihrer Geschichte immer ihre Höhen und Tiefen gehabt hat. Wer hätte zu der Zeit, als sich die ersten Christen in den Katakomben versteckten, gedacht, dass sie sich einmal über die ganze Welt verbreiten würde? Und doch geschah es so. Es gibt eine unerschöpfliche Kraft in unserer Religion.

Magyar Nemzet: Inwieweit verdankt die westliche Zivilisation ihre Vorherrschaft dem Christentum?

Douglas Murray: Die Nächstenliebe ist eine der größten moralischen Lehren aller Zeiten. Was die Feindesliebe betrifft, so ist dies eine ausschließlich christliche Lehre, und vielleicht die schwierigste Herausforderung der Geschichte. Es ist fast sicher, dass wir uns diesem Gebot des Christentums nicht vollkommen unterwerfen können, und doch ist es einen Versuch wert. Für uns sind diese Ideen völlig selbstverständlich, wie die Luft, die wir atmen, aber wenn wir die Geschichte betrachten, erkennen wir, dass sie nicht selbstverständlich sind. Es gibt natürlich einen Grund, warum die christliche Kultur floriert. Das ist nicht zufällig geschehen. Heutzutage werden die europäischen Nationen wegen der Kolonialisierung oft angegriffen, aber es war nicht alles schlecht damals.

Die Europäer zeigten Interesse am Rest der Welt. Diese Neugierde ist auch in der ungarischen Gesellschaft am Werk. Sie haben eine außerordentlich neugierige und kultivierte Gesellschaft, die sich dafür interessiert, was in der Welt passiert.

Dies ist nicht überall der Fall. Heutzutage sagen junge Leute, dass unsere Vorfahren Unrecht getan haben und dass wir von ihren Missetaten profitieren, aber dieser Ansatz ist eine große Ungerechtigkeit gegenüber denen, die vor uns kamen.

Magyar Nemzet: Hat Europa eine Chance, sich aus seiner Asche zu erheben?

Douglas Murray: Seit 1968 – oder sogar noch früher – wird den jungen Menschen Bitterkeit beigebracht. Meiner Meinung nach sollte unser vorherrschendes Gefühl jedoch eher Dankbarkeit sein. Wenn ich bei einem Spaziergang durch Budapest ein schönes Gebäude sehe, kann ich verbittert sein bei dem Gedanken, dass es nicht mir gehört, dass nicht ich es bewohne, aber ich kann auch Dankbarkeit empfinden, weil es mir gegeben wurde, hier anzukommen und seine Schönheit zu betrachten. Jeder von uns hat viele Gelegenheiten zur Unzufriedenheit, aber wir sollten nicht der Bitterkeit nachgeben: Wir sollten lieber dankbar sein.

Wahnsinn der Massen

Douglas Murray, geboren 1979, ist ein britischer Schriftsteller, Journalist und politischer Denker. Seine Artikel, die unter anderem in The Spectator, Standpoint und dem Wall Street Journal veröffentlicht werden, sorgen wegen ihrer kritischen Sicht auf den Islam und die europäische Flüchtlingspolitik oft für einen Skandal. Zu seinen Büchern gehören zwei (beide ins Ungarische und ins Deutsche übersetzt): das am meisten kommentierte, Der Selbstmord Europas; und das jüngste: Wahnsinn der Massen. In letzterem Essay untersucht er die widersprüchlichen Thesen, die der Identitätspolitik der radikalen Linken zugrunde liegen.

 

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