Am Montagmorgen wurden die Prozessbeteiligten bei ihrer Ankunft am Bezirksgericht Helsinki von einer friedlichen Demonstration zur Unterstützung von Räsänen empfangen. Neben Schildern in finnischer Sprache hielten diese paar Dutzend Demonstranten Übersetzungen des Slogans „Päivi, wir sind mit dir!“ in verschiedenen Sprachen hoch.
Das ungarischsprachige Plakat wurde von einer Finnin hochgehalten, die sieben Jahre lang in Budapest gelebt hatte. Sie argumentierte, dass Räsänen nicht dafür verurteilt werden sollte, dass sie gemäß ihrem Glauben spricht, da dies gegen die Werte Finnlands verstoßen würde.
Die Angeklagte kam mit erhobenem Kopf durch einen Korridor voller Journalisten vor den Gerichtssaal, woraufhin die gebrechliche, aber stets lächelnde Abgeordnete geduldig die Fragen der Journalisten beantwortete. Auf die Fragen von Magyar Nemzet antwortete Räsänen, dass sie
„nicht besorgt sondern sicher [sei], dass sie ihren Prozess gewinnen“ werde.
Sie erklärte, sie bereue nichts und wolle nichts von dem zurücknehmen, was sie gesagt habe, da alles, was sie gesagt habe, auf der Bibel basiere und mit ihrem Glauben übereinstimme. Dass sie weiterhin für Meinungs- und Religionsfreiheit kämpfen werde und dass kein Urteil daran etwas ändern könne. Sie wollte betonen
wie wichtig für sie die Unterstützungskundgebung am Sonntag in Budapest war, bei der sich dreitausend Menschen für sie einsetzten, und wie dankbar sie den Ungarn dafür ist.
Während der vierstündigen Verhandlung erläuterte zunächst der Generalstaatsanwalt seine Schlussfolgerungen. Wieder, wie schon bei der Verhandlung im Januar, erklärte Anu Mantila ausführlich, warum er den Tweet von 2019, in dem Räsänen den Apostel Paulus zitiert, seine Äußerungen aus demselben Jahr im Rahmen einer Sendung des öffentlichen Rundfunks als Aufstachelung zu homophobem Hass betrachtet, in der sie sagte, dass die Ehe der Bund zwischen einem Mann und einer Frau sein sollte, sowie ihr klerikales Pamphlet aus dem Jahr 2004, in dem es unter anderem heißt, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen gegen den Willen Gottes verstoßen.
Laut Anklageschrift soll die Berufung auf die Meinungs- und Religionsfreiheit Räsänen nicht von ihren Hasstiraden freisprechen, da sie ihre religiösen Überzeugungen für sich behalten und nicht in der Öffentlichkeit zur Schau stellen soll.
Der Generalstaatsanwalt ist der Ansicht, dass der Staat gegen Hassreden gegen gesellschaftliche Gruppen vorgehen muss, was die Möglichkeit der Betroffenen, sich individuell gegen den Verfasser der Rede zu wenden, nicht ausschließt. Homosexualität als sündhaftes Verhalten zu bezeichnen, ist auch dann inakzeptabel, wenn es sich um ein religiöses Urteil handelt, denn auch öffentliche Bekundungen von Religion müssen sich an die Vorschriften des Antidiskriminierungsgesetzes halten.
Die Verteidigung argumentiert, dass diejenigen, die Hassreden halten, Gewalt und Diskriminierung als erstrebenswert darstellen, was in Räsänens Äußerungen und Schriften nicht zu finden ist. Der Generalstaatsanwalt soll mehrfach versucht haben, ihr Ideen zu unterstellen, die sie weder mündlich noch schriftlich geäußert hat. Räsänen hat Homosexuelle jedoch nie beleidigt, wie Mantila behauptet; im Gegenteil, sie hat stets betont, dass sie die Sünde und nicht den Sünder verurteilt. Jede Debatte wird ungesund, wenn die Gegenseite ständig darauf achten muss, nicht vor Gericht gezerrt zu werden. Am Rande des inkriminierten Tweets (den Räsänen übrigens nicht an Homosexuelle richtete, sondern an seine eigene Kirche, die gerade einen Pride March unterstützt hatte) argumentierte der Verteidiger Matti Sankamo, dass die Pride eine Bewegung sei, die aufgrund ihrer Natur Kritik ausgesetzt sei – und zwar sogar harter Kritik.
Für Rechtsanwalt Sankamo besteht der Zweck der Anklage eindeutig darin, die Meinungsfreiheit einzuschränken.
Ein weniger bekanntes Detail des Falls: Die Abgeordnete sitzt nicht allein auf der Anklagebank, sondern auch Bischof Juhana Pohjola, der für die Veröffentlichung des Pamphlets aus dem Jahr 2004 verantwortlich war, wurde vorgeladen – ein Novum in der Geschichte des demokratischen Finnlands. Während der Anhörung erklärte der Bischof, dass die Anschuldigungen, denen er ausgesetzt ist, völlig unbegründet seien, da die Entwicklung und Verbreitung sexualethischer Lehren – damit bezog er sich auf die Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 – keinesfalls eine Beleidigung oder Kränkung für die Menschen darstellen könne.
Am Montag wurde kein Urteil gesprochen, da das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft am Donnerstag noch die Mitarbeiter des öffentlichen Rundfunks anhören muss, die in den Fall der Sendung von 2019 verwickelt sind. Die Staatsanwaltschaft möchte übrigens die Löschung der Aufzeichnung dieser Sendung, die noch immer im Internet zugänglich ist, anordnen lassen – ebenso wie das Verbot des Textes aus dem Jahr 2004.
Nach der Verhandlung verließ Päivi Räsänen erleichtert den Gerichtssaal und vertraute Magyar Nemzet nebenbei an, dass die Verhandlung für sie die Erkenntnis gebracht habe, dass die erhobenen Vorwürfe in der Tat unbegründet seien.
Wenn wir dem Staatsanwalt in seiner Logik folgen müssten, würde Finnland statt Religionsfreiheit ein Land wie China oder Nordkorea werden.
Sie fügte hinzu, dass ihr Schicksal in Gottes Hand liege und was auch immer passieren möge, es sei gut.
Nach der Verhandlung am Donnerstag ist die Verkündung des Urteils für den 30. März angesetzt.
Bild: Päivi Räsänen (Foto: Antti Aimo-Koivisto)