– Mehrere Fraktionsvorsitzende des Europaparlaments (EP) wollen, dass diese Institution eine Rolle bei der Bewertung der von den Mitgliedsstaaten vorgelegten Konjunkturpläne erhalte: Laut dem EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber ist es notwendig, neben den bürokratischen Kriterien der Kommission auch politische Elemente zu berücksichtigen, während der liberale Dacian Cioloș während der gestrigen Debatte nicht zögerte, unverblümt zu erklären, dass er besonders an den Plänen Ungarns und Polens interessiert sei. Ist es nach dem letztjährigen Gerangel um die Rechtsstaatlichkeit wirklich eine gute Idee, weiterhin zu versuchen, die Frage des Wiederaufbaufonds zu politisieren?
– Meiner Meinung nach ist das Europäische Parlament das Opfer eines Besetzungsfehlers – worauf ich in meinem schriftlichen Beitrag hingewiesen habe. Das Europaparlament will immer mehr: Es will immer Vorrechte in Bereichen erhalten, die es laut den Verträgen gar nichts angehen. Der Gesetzestext, aus dem der Wiederaufbaufonds hervorging, legt auch die Rechte des Parlaments in diesem Bereich klar fest: Gemäß dem Grundsatz der Transparenz hat das Europaparlament ein Kontrollrecht über die nationalen Pläne und muss von der Kommission über den Fortgang des Bewertungsverfahrens informiert werden. Auf der anderen Seite ist es die Europäische Kommission, die als Exekutivorgan in den nächsten zwei Monaten für die Bewertung der nationalen Pläne zuständig ist, die dann dem Europäischen Rat vorgelegt werden.
Aus rechtlicher Sicht ist es daher unmöglich, dass das Europaparlament über sein Kontrollrecht hinaus in dieses Verfahren eingreift oder dass die Abgeordneten Zugang zu internen Dokumenten haben, zum Beispiel zu noch nicht endgültigen Bewertungen. Trotzdem ist das Plenum, das diese Woche begonnen hat, dabei, Beschlüsse zu fassen, die zu einem Ausufern dieser Vorrechte führen werden.
Bei der letztjährigen Debatte über den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus kam es zu einem ähnlichen Spektakel, als das Europaparlament versuchte, die Verteilung von EU-Geldern zu politisieren. Und hier sind sie wieder und verfolgen ein ähnliches Ziel: Mitgliedsstaaten, die sie nicht mögen, aufgrund ideologischer Überzeugungen an den Pranger zu stellen. Aus der Debatte vom Dienstag habe ich jedenfalls den Eindruck, dass sich die Kommissare an den von den Verträgen vorgegebenen Rahmen halten und ihre Arbeit machen.