In dem Skype-Interview, das uns vorliegt, erklärt Orsolya Jeney, wie sie als Direktorin von Amnesty International in Ungarn unter enormen internen Druck gesetzt wurde, damit Amnesty International praktisch die Rolle einer Oppositionspartei einnehme und die Regierung Orbán in den Medien verurteile – wenn nötig auch ungerechtfertigterweise.
Einmal haben wir von ganz oben die Anweisung erhalten, viel mehr Lärm gegen Orbán zu machen.
„Das war eine Aufforderung, die in diesem Fall schon über die Rolle von Amnesty hinausging. – Ich habe ihnen geantwortet: ‚Entschuldigung, aber mit welchem Recht kann ich, ich, das Mandat von Amnesty ändern?’“
Ihrer Meinung nach kam es auch vor, dass die NGO gebeten wurde, auf konkrete Nachrichten über diesen oder jenen Politiker zu reagieren, obwohl sie die Aufgabe dieser Bürgerrechtsorganisation eher darin sah, sich mit systemischen Phänomenen zu befassen.
Boykott
Die ehemalige Direktorin erinnert sich daran, wie Amnesty im Vorfeld des Einwanderungsreferendums zusammen mit anderen Organisationen zum Boykott der Abstimmung aufrief.
Das Ziel war, die Menschen davon abzuhalten, zur Wahl zu gehen. Da die Mission von Amnesty aber die Verteidigung der Menschenrechte ist, war meine Position, dass wir die Rechte der Menschen respektieren müssen, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Dass es nicht unsere Aufgabe ist, den Menschen zu sagen, was sie tun sollen. Unsere Aufgabe beschränkt sich darauf, die öffentliche Aufmerksamkeit auf bestimmte Fälle zu lenken und es den Menschen zu überlassen, anschließend die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Sie gibt auch einen Einblick in die interne Arbeitsweise von Amnesty, indem sie berichtet, wie
die NGO in ihrem Namen eine Pressemitteilung herausgab, die sie weder geschrieben noch gelesen hatte.
Klickjagd-Schlagzeilen
Als weiteres Beispiel für die unerwünschte Beeinflussung der öffentlichen Meinung nannte sie sensationalistische Aussagen gegen die Regierung.
Mit all diesen Klickjagd-Schlagzeilen ist es leicht, eine Leserschaft zu beeinflussen, die ihre Regierung aus tiefstem Herzen hasst und bereit ist, jede Geschichte zu glauben, die Viktor Orbán die falsche Rolle zuweist, und oft lesen die Leute nicht einmal den Text des Artikels. Das ist eine Art von Fehler, den sich keine Organisation außerhalb der politischen Welt leisten kann.