„Über die Anwesenheit der Polen freut sich jeder Ungar,
Gestern angekommen, ist jeder Pole sein guter alter Freund“.
(János Arany, „Das Mädchen von Erlau“)
„Die Geschichte bietet kein anderes Beispiel für zwei benachbarte Nationen, die in so gutem Einvernehmen zusammenleben“ – behauptete Adorján Divéky, Ungarns angesehener Experte für internationale Beziehungen, bereits 1934 in seinem kleinen Buch, das alles zusammenfasst, was die Ungarn während des Ersten Weltkriegs für Polen getan haben. An dessen Ende geht er auf den Wendepunkt des polnisch-bolschewistischen Krieges im August 1920 ein, als eine Munitionslieferung aus Ungarn zu einem historischen Sieg der Polen beitrug – zum berühmten „Wunder von der Weichsel“.
Und es ist wohl wahr, dass es leicht ist, die Geschichte der beiden Länder in parallelen Erzählungen zu ordnen.
Ungefähr zur gleichen Zeit traten wir – durch Christianisierung und Staatsgründung – der Welt des europäischen Okzidents bei. Das symbolische Datum 966, das die Polen feiern, verweist auf ihre Bekehrung zum Christentum, während unser Datum, das mit der Jahrtausendwende zusammenfällt, das Datum der Krönung des Heiligen Stephans ist. Diese schicksalhaften Jahrzehnte finden ein weiteres gemeinsames Symbol in der Figur des Heiligen Adalbert (der aus dem Land der Tschechen kam), der in beiden Ländern entscheidend dazu beigetragen hat, dass der neue Glaube Wurzeln schlagen konnte. Die Grundlage dieser Schicksalsgemeinschaft ist vor allem die gemeinsame geopolitische Situation, die, so könnte man sagen, von den Anfängen bis heute die gleiche geblieben ist. Eine Situation, die üblicherweise mit den Worten „an der Grenze zwischen Orient und Okzident“ charakterisiert wird. Dieser im späten Mittelalter entstandene Topos macht unsere beiden Länder zu antemurale christianitatis, zum Schutzschild des Christentums gegen die Eindringlinge aus dem Osten (Mongolen, Tataren, Osmanlitürken, Moskowien).
Man braucht nur einen Blick auf eine Karte aus der Mitte des 15. Jahrhunderts zu werfen: von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer die Königliche Republik Polen-Litauen – und auf der anderen Seite der Karpaten das Königreich Ungarn, das sich – zusammen mit Kroatien – bis zur Adria erstreckt. Bei den großen Stürmen in der europäischen Geschichte wehte der Wind meist von Ost nach West. Und auf diesem Breitengrad zog der Hurrikan in der Regel auch vorbei. Zuerst gab die Mauer in Mittelosteuropa im Süden bei Mohács nach; dann, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, im Norden durch die Teilung Polens.
Was das Risiko eines Nord-Süd-Konflikts angeht, so war es durch die Bergketten, die uns trennen, und durch die Solidarität, die uns die Geopolitik auferlegt, begrenzt. Blättert man in den Annalen beider Länder, stößt man auf bedeutende dynastische und handelspolitische Verbindungen, gemeinsame Könige, aber auch hin und wieder auf Zusammenstöße (unser König Matthias zum Beispiel musste sich unter anderem mit einem polnischen Rivalen auseinandersetzen, der sich um seinen Thron bemühte). Die Freundschaft zwischen den beiden Völkern wurde jedoch zum Mythos und ließ diese kleinen Spannungen und Interessenunterschiede in Vergessenheit geraten. Die ungarisch-polnische Freundschaft ist in der Tat ein seltenes Phänomen in der europäischen Kulturgeschichte. Zu einem einzigartigen „Erinnerungsort“ wurde sie in der Zeit der modernen Nationenbildung: ab dem Ende des 18. Jahrhunderts, als die staatliche Existenz unseres jahrhundertealten nordischen Nachbarn in Frage gestellt wurde, da er sich im Würgegriff dreier Großmächte befand. Diese Bindungen wurden durch die Existenz einer gemeinsamen Grenze und – last but not least – durch die aristokratische Kultur, die die Grundlage für ähnliche Mentalitäten bildete, gestärkt. Der Spiegel, den wir einander vorhalten, ist höchst interessant, und wir hatten eine ausgeprägte Tendenz, uns gegenseitig zu betrachten, wobei jeder in den Augen des anderen als der Beste, das Vorbild, das es zu befolgen gilt, erschien. Ein im Reformzeitalter sehr beliebter Text, das Studentenlied Búsul a lengyel hona állapotján („Der Pole grämt sich über den Zustand seines Vaterlandes“), das die Merkmale der europäischen Völker Revue passieren lässt, kommt zu dem Schluss, dass der Pole der einzige ist, der für die Freiheit kämpft.
Mit besorgter Aufmerksamkeit hielten sich die Denker der ungarischen Aufklärung über das Schicksal unseres polnischen Nachbarn auf dem Laufenden. Nach der ersten Teilung schrieb Ábrahám Barcsay in seiner Epistel mit dem Titel A hadi gyakorlás végén („Nachdem die Waffenübung ein Ende gefunden hat“), noch mit etwas Hoffnung: Ha lengyelnél örök lészen a királyság / Akármilyen kitsiny is, de mégis szomszédság („Möge das Königreich bei dem ewigen Polen sein / So klein es auch sein mag, es bleibt eine Nachbarschaft“). Nach dem Ende der napoleonischen Kriege hingegen schrieb Ferenc Kazinczy im März 1815 in einem seiner Briefe bereits mit einer gewissen Bitterkeit: „Was kann die Menschheit erwarten? Was ist mit Österreich? Und unser Vaterland, unsere Nation? /…/ die Antemurale [zu verstehen: Polen!] ist nicht mehr, und die Gefahr nähert sich uns von zwei Flanken.“
In der Zeit der großen Befreiungskämpfe von 1830-31 wurde ganz Europa von Wellen pro-polnischer Sympathie durchzogen. Bei uns nahmen viele die Nachricht vom polnischen Aufstand, der sowohl im politischen Leben als auch in der Welt der jungen Intellektuellen eine sehr tiefe Wirkung hatte, mit Zustimmung und Begeisterung auf. Siebenunddreißig der ungarischen Komitate richteten ein Schreiben an den Herrscher, in dem sie ihn dazu aufforderten, sich auf die Seite der Polen zu stellen. Noch am Anfang seiner Karriere schrieb der junge Lajos Kossuth in seiner Rede, die er im Juni 1831 vor der Komitatsversammlung des Komitats Semplin (Zemplén) hielt: „…ich werde die Kühnheit haben, es zu sagen: Jeder, der sich weigert, ihren Waffen voller Gerechtigkeit seinen Segen zu geben, dieser Mann liebt weder seinen König noch sein Vaterland.“ Die Unterstützung der polnischen Sache riss die ungarische Jugend mit sich: Für sie lief diese Haltung darauf hinaus, dass die Freiheit der Polen mit der Sache der nationalen Unabhängigkeit gleichgesetzt wurde. Sie übernahm die Mode der „polnischen Tschapka“, und im ganzen Land gab es mehr als eine Demonstration, bei der sie ihre Solidarität mit den Bestrebungen der Polen zum Ausdruck bringen konnten.
In Pest sangen die Jugendlichen, die sich im Gasthaus Fehér Hajó [„Zum Weißen Schiff“] trafen, bis zum Umfallen das Lied Nincs még veszve Lengyelország („Polen ist noch nicht verloren“), das später zur Hymne werden sollte und in mehr als einem handschriftlichen Archiv aus jener Zeit als „das berühmte Schlachtenlied der Polen“ bezeichnet wird. Auf der Generalversammlung des Komitats Zala fasste Sándor Kisfaludy die Bedeutung der von der Zarenmacht begangenen Aggression für die Zukunft unserer Region wie folgt zusammen: „Wir sind gezwungen, uns zu entsetzen, wenn wir sehen, wie die unglückliche polnische Nation, die den Himmel zum Zeugen nimmt und vergeblich ihre Hände in der Hoffnung auf Hilfe nach allen Nationen ausstreckt, deren Seele mehr oder weniger frei bleibt, jeden Tag der Stunde ihres Todes näher kommt – sei es durch Hungersnot oder Erschöpfung, sie wird für immer verschwinden müssen … und umso entsetzter sind wir, wenn wir sehen, wie dieser Riese aus dem Norden, der seinen eisernen Panzer bereits über die halbe Welt ausgebreitet hat, begonnen hat, auch unser Vaterland mit seinen unheilvollen Armen zu umgeben – seien es Polen, Rumänen, Moldauer, Serben oder Bosniaken …“
Es war 1832, als die ungarische Nationalversammlung begann, sich mit der Debatte über die polnische Frage zu befassen. Zweimal sprach Ferenc Kölcsey in dieser Debatte. Seine Reden sind es wert, zitiert zu werden: „…vor den Augen der ganzen Welt wurde jene Nation niedergemacht, die jahrhundertelang an unserer Seite den Namen der schützenden Mauer der Christenheit verdient hatte; jene Nation, ohne die heute die Türme von Wien Ruinen wären… Das ist die Nation, die diese Katharina, deren Blick weit reicht, gehäutet hat, indem sie Europa ins Herz stach und ihm so eine Wunde zufügte, die, wenn sie nicht heilt, in einen universellen Tod münden wird.“ Oder wenn er über die geopolitischen Auswirkungen spricht: „Aber es ist auch eine Pflicht, die wir uns selbst gegenüber haben, denn es ist nicht mehr möglich, die Gefahr zu verbergen, die auch uns droht, wenn an unseren Grenzen die Willkür eine bürgerliche Verfassung zertrampelt und wenn die Macht des Nordens ihren Einfluss um uns herum ausdehnt.“ Miklós Wesselényi und Ferenc Deák, die zu den Großen der ungarischen Geschichte gehören, sprachen vor der Nationalversammlung ebenfalls über die polnische Sache.
Und die Giganten unserer Literatur – Mihály Vörösmarty, József Bajza und János Erdélyi – drückten in ihren unvergänglichen Werken ihre Sympathie für die Polen aus, die zuerst für die Freiheit kämpften und dann ein Schicksal als Exilanten erlebten. Aus der Sicht unserer Schriftsteller und Dichter war es eins mit der Liebe zum Vaterland und zur Freiheit, ein Freund der Polen zu sein. Es ist daher kein Zufall, dass sich diese Haltung in der ungarischen Öffentlichkeit der 1840er Jahre allgemein durchsetzte. Als Kossuth 1848 erklärte, dass „die polnische Frage eine ungarische Frage ist“, gab es stehende Ovationen. Was den anschließenden Befreiungskrieg betrifft, so hat er eine Mythologie hervorgebracht, die dem [polnischen – AdÜ.] General Bem und der Polnischen Legion einen besonderen Platz einräumt.
Unsere klassische Prosa – die der Jókai und Mikszáth – ist voll von polnischen Figuren, fiktiven oder aus unserer gemeinsamen Geschichte entlehnten, und von jenen, die bei uns „polnisch leben“, d.h. Überlebende, die nach der Niederschlagung des polnischen Aufstands auf unsere Seite der Karpaten flüchteten. „Pole, Ungar, zwei Brüderlein“ – sagt ein altes Sprichwort, während eine neuere Version von „zwei Freunden“ spricht, die zusammen kämpfen und zusammen anstoßen.
In Krisensituationen tauchte dieses Gefühl fast reflexartig wieder auf, so sehr entstammt es der jahrhundertealten Erfahrung einer Schicksalsgemeinschaft. Im September 1939 ebenso wie im Herbst 1956. Wie János Kodolányi wenige Tage vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in einem Zeitungsartikel erklärte: „…die Freiheit und Unabhängigkeit der Polen ist eng mit der Bewahrung der Freiheit und Unabhängigkeit der Ungarn verbunden. Und umgekehrt.“ Die Äußerungen, die ich hier zitiere, um die vergangenen Stunden unserer historischen Freundschaft zu illustrieren, sind nur Bruchstücke – man könnte aber auch sagen: Edelsteine –, die auf die Schnelle gesammelt wurden. Es ist eine dicke Anthologie, die man zusammenstellen könnte, allein schon aus den Manifestationen der Polonophilie, die das ungarische Geistesleben durchzieht. Und ich sehe keine andere Kultur, die es in diesem Bereich mit der unseren aufnehmen könnte.
Es wäre gewiss ungerecht, dies zu verschweigen, und gefährlich, es zu vergessen: Während des Zweiten Weltkriegs fanden sich ungarische Schriftsteller, die den Polen als unüberlegte Handlung vorwarfen, dass Polen die Vorschläge des Deutschen Reichs der Nazis ablehnte und sich entschied, einen ungleichen Kampf gegen einen übermächtigen Aggressor zu führen (eine Situation, die gut zwei Wochen später durch die sowjetische Aggression hinter seinem Rücken noch hoffnungsloser wurde); es gab auch solche, die mit sarkastischer Verachtung über die Polen sprachen. Und selbst heute gibt es unter den noch lebenden ungarischen Publizisten mehr als einen, der 1980/81 die von der Solidarność initiierte breite Befreiungsbewegung als absurdes und halsbrecherisches Unternehmen bezeichnete. Sie sprachen damals mit der Allwissenheit von Insidern von den Polen, „die nicht gerne arbeiten“. Das war es, was der Vollständigkeit halber noch hinzugefügt werden musste. Aber mit einer so düsteren Note zu enden, wäre unserer gemeinsamen Traditionen nicht würdig.
Mit den folgenden Worten fasste Gyula Krúdy vor hundert Jahren den wesentlichen Inhalt der ungarisch-polnischen Freundschaft zusammen: „Vielleicht würde man in der ganzen übrigen Welt vergeblich nach zwei anderen Nationen suchen, die einst Nachbarn waren und deren Traditionen und Legenden so viele Ideen über die Freiheit enthalten, über diesen wunderbaren Stern, den die Menschen, die nördlich oder südlich dieser hohen Berge lebten, immer über den Karpaten funkeln sahen.“